Einführung
Projekte ohne Probleme? Die gibt es in der Regel nicht. So meldet Ihr Kunde beispielsweise einen gravierenden Softwarefehler in der Version, die letzte Woche geliefert wurde. Nun brauchen Sie jemanden, der die Ursache prüft, den Fehler behebt und dann eine korrigierte Version liefert. Dieser Prozess beinhaltet viele Schritte, an denen viele Personen beteiligt sind – das erhöht die Fehleranfälligkeit und führt bei schlechtem Management im schlimmsten Fall zu enttäuschten Kunden.
Deshalb braucht es ein Problemlösungsmanagement, das diesen Prozess zuverlässig steuert, damit alle Arbeitsschritte rechtzeitig abgeschlossen werden und die Lösung zum gewünschten Zeitpunkt fertig ist.
Im Folgenden sehen Sie die wichtigsten Aspekte des Problemlösungsmanagements in Automotive SPICE:
- Entwickeln Sie eine effektive Strategie für das Problemlösungsmanagement. Die Lösung eines Problems erfordert Dutzende von Mitarbeitern in verschiedenen Teams und an verschiedenen Standorten. Es ist wichtig, diese Personen zu koordinieren und den Status der Probleme über die verschiedenen Phasen hinweg zu verfolgen, um sicherzustellen, dass die Lösungen ordnungsgemäß umgesetzt werden. Mit einer guten Strategie wissen alle Beteiligten, wie der Arbeitsablauf aussieht, wie der Fortschritt kontrolliert wird und wer wofür verantwortlich ist.
- Konzentrieren Sie sich auf dringende Sofortmaßnahmen. Stellen Sie sich vor, der Kunde führt Integrationstests vor Ort durch. Ihr Gerät interagiert nicht richtig mit anderen Geräten und blockiert den gesamten Testprozess. Der Kunde ruft dann jemanden in Ihrem Unternehmen an und möchte sein Problem gelöst wissen. Allerdings umfasst Ihr Problemlösungsmanagement-Prozess viele Schritte und nimmt viel Zeit in Anspruch – viel mehr Zeit als der Kunde erwartet. Wie gehen Sie damit um?
In Ihrer Strategie ist festgelegt, wie Sie mit solchen Situationen umgehen. Die Lösung könnte ein beschleunigter Prozess sein, bei dem einige der normalerweise erforderlichen Tests übersprungen werden. Dies birgt natürlich einige Risiken. Deshalb muss geklärt werden, wer solch einen beschleunigten Prozess freigeben darf. Und schließlich müssen Sie festlegen, wie die übersprungenen Prozessschritte nach Abschluss der dringlichen Sofortmaßnahme ausgeführt werden sollen. Mit diesen einfachen Schritten sparen Sie wertvolle Zeit, stellen Ihre Kunden zufrieden und erfüllen gleichzeitig alle Prozessanforderungen. Sorgen Sie dafür, dass alle Beteiligten angemessen geschult werden.
Hier sind einige Probleme, die auftreten können:
- Das Problemlösungsmanagement ist unkontrolliert, da niemand verantwortlich ist.
- Probleme werden vergessen, bleiben ungelöst oder werden viel zu spät gelöst
- Wenn eine große Anzahl an Problemen auftritt, fehlt den Entwicklern die Zeit, diese zu lösen
Die Strategie sollte ein Statusmodell für die Probleme enthalten.
Zum Beispiel: Neu, in Bewertung, in Umsetzung, Umsetzung abgeschlossen, freigegeben, geliefert, vom Kunden genehmigt. Wenn Entwickler den Problemlösungsmanagement-Prozess ausführen, wechseln sie in ihrem Taskmanagement-Tool in den nächsten Status. Es ist wichtig, eine Person zu bestimmen, die für die aktive Überwachung des Status verantwortlich ist und regelmäßig Statusberichte oder Dashboards erstellt. Diese Berichte können dann in wöchentlichen technischen Sitzungen ausgewertet werden, in denen Probleme besprochen
und Lösungen vereinbart werden. Stellen Sie sicher, dass die Entwickler nicht ausschließlich mit der Entwicklung neuer Funktionen beschäftigt sind, sondern auch genügend Zeit für die Lösung von Problemen haben. Wenn Sie also wissen, dass viele neue Releases geplant sind, dann stellen Sie sicher, dass den Entwicklern genügend Zeit zur Verfügung steht.
Das ist, vereinfacht dargestellt, das Problemlösungsmanagement.
Wenn Sie diese Punkte beachten, gelingt Folgendes besser:
- Leistungsstarke Problemlösungsmanagement-Funktionen implementieren
- Probleme beheben
- Kundenunzufriedenheit vermeiden
Mit dem Problemlösungsmanagement-Prozess wird sichergestellt, dass Probleme ermittelt, analysiert, verwaltet und bis zur Lösungsfindung kontrolliert werden.
Best Practice (BP1): Entwickeln Sie eine Strategie für das Problemlösungsmanagement, einschließlich eines Statusmodells für Probleme, Problemlösungsaktivitäten, Warnmeldungen, Zuständigkeiten für die Durchführung dieser Aktivitäten und einer Strategie für dringende Lösungen.Die Schnittstellen zu den Beteiligten sind definiert und die Definitionen werden gepflegt.
- Anmerkung 1: Die Problemlösungsaktivitäten können sich während des Produktlebenszyklus unterscheiden, z. B. während des Prototypenbaus und der Serienentwicklung.
BP2: Ermitteln Sie das Problem und dokumentieren Sie es.Jedes Problem wird eindeutig ermittelt, beschrieben und dokumentiert. Zur Reproduktion und Diagnose des Problems sollten unterstützende Informationen bereitgestellt werden.
- Anmerkung 2: Zu den unterstützenden Informationen gehören normalerweise der Ursprung des Problems, wie es reproduziert werden kann, Umweltinformationen, wer es entdeckt hat, usw.
- Anmerkung 3: Die eindeutige Ermittlung unterstützt die Traceability der vorgenommenen Änderungen.
BP3: Erfassen Sie den Status der Probleme. Um die Nachverfolgung zu erleichtern, wird jedem Problem ein Status gemäß dem Statusmodell zugewiesen.
BP4: Diagnostizieren Sie die Ursache und bestimmen Sie die Auswirkungen des Problems.Untersuchen Sie das Problem und ermitteln Sie Ursache und Auswirkungen, um das Problem zu kategorisieren und geeignete Maßnahmen zu bestimmen.
- Anmerkung 4: Die Problemkategorisierung (etwa A, B, C, leicht, mittel, schwer) kann auf der Schwere, den Auswirkungen, der Kritikalität, der Dringlichkeit, der Relevanz für den Veränderungsprozess usw. beruhen.
BP5: Genehmigen Sie dringende Sofortmaßnahmen. Wenn ein Problem gemäß der Strategie eine dringende Lösung erfordert, muss die Genehmigung für Sofortmaßnahmen ebenfalls gemäß der Strategie eingeholt werden.
BP6: Lösen Sie Warnmeldungen aus. Wenn ein Problem gemäß der Strategie erhebliche Auswirkungen auf andere Systeme oder andere Beteiligte hat, muss ebenfalls gemäß der Strategie eine Warnmeldung ausgelöst werden.
BP7: Leiten Sie die Problemlösung ein.Ergreifen Sie geeignete Maßnahmen gemäß der Problemlösungsstrategie, einschließlich der Überprüfung dieser Maßnahmen, oder stellen Sie einen Änderungsantrag.
- Anmerkung 5: Eine geeignete Maßnahme könnte die Einreichung eines Änderungsantrags sein. Siehe SUP.10 für die Verwaltung von Änderungsanträgen.
- Anmerkung 6: Die Umsetzung von Prozessverbesserungen (zur Vermeidung von Problemen) erfolgt im Rahmen des Prozess-Verbesserungsprozesses. (PIM.3) Die Umsetzung allgemeiner Projektmanagement-Verbesserungen (z. B. Lessons Learned) ist Teil des Projektmanagement-Prozesses (MAN.3). Die Umsetzung allgemeiner Verbesserungen am Arbeitsprodukt ist Teil des Qualitätssicherungsprozesses (SUP.1).
BP8: Verfolgen Sie den Status von Problemen bis zu deren Abschluss, einschließlich aller damit verbundenen Änderungsanträge. Bevor das Problem abgeschlossen werden kann, muss eine formelle Annahme genehmigt werden.
BP9: Analysieren Sie Problemtrends.Sammeln und Analysieren Sie Daten für das Problemlösungsmanagement, erkennen Sie Trends und ergreifen Sie projektbezogene Maßnahmen im Einklang mit der Strategie.
- Anmerkung 7: Die gesammelten Daten enthalten in der Regel Informationen darüber, wo Probleme aufgetreten sind, wie und wann sie entdeckt wurden, welche Auswirkungen sie hatten usw.
Arbeitsergebnisse
- Problemlösungsplan
- Dokumentation des Problems
- Analysebericht
- Bewertungsbericht
- Problemstatusbericht
Welchen Nutzen bietet das Problemlösungsmanagement?
Mit einem systematischen Problemlösungsmanagement-Prozess können Probleme effektiv und zuverlässig gelöst werden. Durch eine regelmäßige Analyse der festgestellten Probleme kann das Unternehmen aus diesen Problemen und Fehlern lernen und langfristig von verbesserten Prozessen und Ergebnissen profitieren.
Was beinhaltet das Problemlösungsmanagement?
- Es wird eine Problemlösungsmanagement-Strategie entwickelt und umgesetzt (BP1). Diese beinhaltet Aktivitäten, Zuständigkeiten, benötigte Ressourcen und ein Lebenszyklusmodell für mögliche Problemzustände.
- Jedes Problem wird ermittelt, dokumentiert (BP2) und mit einem entsprechenden Status versehen (BP3). Der Status des Problems wird aktualisiert, während es den definierten Lebenszyklus durchläuft.
- Ursache und Auswirkungen werden ermittelt und eine Problemkategorie wird zugeordnet (BP4).
- Die Problemlösung wird eingeleitet (BP7) und bis zum Abschluss verfolgt (BP8).
- Bei besonders dringenden Problemen oder schwerwiegenden Auswirkungen auf andere Systeme werden Notfallmaßnahmen oder Warnmeldungen ausgelöst (BP5, BP6).
- Es werden Daten zu Problemen gesammelt und analysiert, um Trends und Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen. Diese Verbesserungen werden in das Projekt und eventuell in das Unternehmen zurückgeführt (BP9).
Überlegungen zu gängigen Herausforderungen
- Probleme müssen auf allen Ebenen (Kunde, Hardware, Software usw.) angegangen werden, nicht nur auf der Softwareebene.
- Probleme und Änderungsanträge werden häufig in einem gemeinsamen Tool verwaltet, in dem akzeptierte Probleme nahtlos in einen Änderungsantrag übergehen.
- Probleme treten häufig bei BP9 „Analyse von Problemtrends“ auf. Diagramme allein reichen nicht aus – die Probleme und Trends müssen gründlich analysiert werden.
- Anhand der Analyseergebnisse können dann Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden.
- Die in diesem Prozess zu lösenden Probleme sind nicht nur technischer Natur, Zum Beispiel: Kundenprobleme, unterschiedliche Interpretationen von Anforderungen, Prozessprobleme, Verfügbarkeit von Ressourcen usw.
- Bei der Analyse von Problemen ist es sinnvoll, die Ursachen (Kategorien), die betroffenen Komponenten, den Ort, an dem das Problem auftrat, den Ort, an dem es gelöst wurde, und den für die Lösung erforderlichen Aufwand zu ermitteln und zu dokumentieren.
- Der Unterschied zwischen BP5 und BP6 ist oft nicht ganz klar. BP5 befasst sich mit Problemen, bei denen dringender Handlungsbedarf besteht (z. B. wenn der Kunde Feldversuche durchführt und dringend eine Lösung benötigt). Hierfür muss von normalen Verfahren (z.B. weniger Tests) abgewichen werden, wofür wiederum eine spezielle Freigabe erforderlich ist. Das heißt, man braucht ein klares Verfahren sowie Mitarbeiter mit Freigaberecht. BP6 behandelt den Aspekt, dass Probleme Auswirkungen auf andere Bereiche haben können (z. B. müssen Fahrzeugprototypen ausgebessert oder Beteiligte anderer Projekte, die die gleiche Software verwenden, informiert werden). Das kann – muss aber nicht – eine Sofortmaßnahme nach BP 5 zur Folge haben.
- Zwischen SUP.9 und dem Risikomanagement (MAN.5) besteht eine direkte Verbindung, da in diesem Prozess Risiken behandelt werden, die zu Problemen werden.
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Über den Autor
Dr. Klaus Hoermann arbeitet seit 1998 mit SPICE. Seitdem hat er Hunderte von Assessments und Schulungen durchgeführt. Eine seiner Stärken ist es, schwer verständliche Modelle so herunterzubrechen, dass jeder sie verstehen kann.